Archive for the ‘Blick über den Tellerrand’ Category

Erste Hochschul-Besetzungen – Beginnt der heisse Herbst?

05.11.09

besetztSeit ein paar Wochen mischen die österreichischen Studenten mit Protesten ihre Hochschulen auf, die Uni Wien ist z.B. seit dem 22.10 besetzt, alle anderen Universitäten Österreichs befinden sich inzwischen ebenfalls unter studentischer Kontrolle. Die Themen sind zum größten Teil identisch mit unseren: Bachelor und Master sollen weg, die Ökonomisierung der Bildung gestoppt, eine Wiedereinführung der Studiengebühren aufgehalten, Bildung besser finanziert und Schulen und Hochschulen demokratischer werden. Die Proteste und vor allem ihre Größe kamen für alle Beteiligten überraschend: eigentlich lief in Medien und Politik gerade eine Hetzkampagne gegen ausländische Studierende und für die Wiedereinführung der Gebühren. Die Kampagne war unter Studierenden anscheinend aber erfolglos, die Proteste richten sich ganz klar gegen Studiengebühren und nationalistische Stimmungsmache.

In den letzten Tagen gab es aus Österreich immer wieder Einladungen an die Studenten in den Nachbarländern, sich der Protestbewegung anzuschließen. Salzburg rief etwa zu internationalen Studi-Streiks, Wien zu Besetzungen „in Europa und darüber hinaus“ auf. Inzwischen scheint der Funke übergesprungen zu sein. In Potsdam und Heidelberg wurden Hörsäle besetzt, und in Münster das Audimax. Ist das der Beginn des angekündigten heissen Herbstes? Heute ist der Auftakt für die „Global Week of Action – Education is NOT for $A£€“, in Österreich findet gleichzeitig ein landesweiter Aktionstag statt. Und in Deutschland startet am 17.11. der bundesweite Bildungsstreik. Es könnte also noch einiges an studentischer Action folgen.

Österreich: Studiengebühren sollen deutsche Studenten abschrecken

25.10.09

Vor einem Jahr wurden in Österreich die Studiengebühren für Universitäten wieder abgeschaft und der NC für einige Fächer aufgehoben. Eine Mehrheit aus SPÖ, FPÖ und Grüne hatte damals für die Abschaffung gestimmt. Inzwischen sind die Studiengebühren aber schon wieder im Gespräch. Die konservative ÖVP will die Campusmaut auf jeden Fall einführen, Wirtschaft und Konzernmedien machen beständig Stimmung für das Bezahlstudium. Zur wichtigsten Stillfigur ist dabei inzwischen die Warnung vor einer Ausländerschwemme geworden. Während de facto auch nicht mehr Ausländer in Österreich studieren als Österreicher im Ausland, hetzt eine Allianz aus konservativen Hochschulleitern, rechten Politikern und der Mainstreampresse gegen ausländische Studenten, die angeblich in riesigen Schwärmen über österreichische Hochschulen herfallen, Eingeborene verdrängen und den Staatshaushalt belasten. Konkret geht es v.a. um deutsche Studierende, insbesondere aus dem benachbarten Bayern. Um daraus ein „Argument“ für die Wiedereinführung der Studiengebühren zu machen, werden die Gebühren zum Schutzwall gegen ausländische Studierende erklärt. Je höher die Gebühren, um so weniger ausländische Studierende, heißt es in dieser Logik. Damit hofft man, xenophobe Überzeugungen anzusprechen und auch unter den österreichischen Studenten Anklang zu finden. Die Gebühren sollen also mit ausländerfreien Hörsaalen schmackhaft gemacht werden. Glücklicherweise hat diese Propaganda unter Studenten bisher kaum verfangen, bei den aktuellen Protesten in Wien wird immer wieder hervorgehoben, dass ausländische Studierende auch weiterhin willkommen sein sollen. Das Problem der „Gebührenflucht“ hat allerdings einen wahren Kern. Es ist ja nicht abzustreiten, dass die Gebühren dazu benutzt werden können, die Studentenzahl zu drücken und die Kosten für Bildung den Nachbarn aufzuhalsen. Das gleiche passiert ja auch zwischen den deutschen Bundesländern. Je höher die Gebühren, um so mehr lohnt es sich, beim gebührenfreien Nachbarn zu studieren. Das gleiche gilt natürlich auch für Unterschiede in der Gebührenhöhe. So kann es auf Dauer zwischen den Bundesländern wie auch den Mitgliedsstaaten der EU zu einem Wettbewerb kommen, bei dem alle Teilnehmer durch ständiges Anheben der Gebühren versuchen, möglichst keine Gebührenflüchtlinge abzubekommen und so viele Studierende wie möglich in die anderen Staaten zu verscheuchen. Belohnt wird das ganze mit sinkenden (oder zumindest nicht steigenden) Bildungsausgaben; in Zeiten von Wirtschaftskrise und staatlich verordneter Schuldenbremse ein nicht zu unterschätzendes Motiv. Dabei wäre das Problematik relativ einfach zu entschärfen. Ausgleichszahlungen von Staaten und Bundesländern, die von der Gebührenflucht profitieren, an diejenigen, die mehr junge Leute ausbilden, wären eine einfache Lösung, die gleichzeitig den Anreiz zur Gebührenerhöhung dämpfen könnte.

Alternativer Wahl-O-Mat zu Bürgerrechten

08.09.09

Neben dem kürzlich vorgestellten Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es noch einen weiteren virtuellen Entscheidungshelfer im Netz. Der AK Vorratsdatenspeicherung bietet einen eigenen Wahl-O-Mat zum Thema Freiheits- und Bürgerrechte an. Außerdem kann man sich auf der Seite z.B. noch über die Geschichte der Überwachungsgesetze in der BRD informieren.

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Bundestagswahl: Entscheidungshilfen

07.09.09

Bei einer Umfrage des Stern vor ein paar Wochen wusste gerade einmal die Hälfte der Deutschen, dass Ende September die Wahlen zum Bundestag abgehalten werden. Inzwischen dürfte sich diese Zahl dank Wahlplakaten in den Innenstädten nach oben verändert haben. Wer nicht „aus Tradition“ eh immer die gleiche Partei wählt, sich bei der Wahlentscheidung auf die Empfehlung der Bildzeitung verlässt oder das Kreuzchen bei der Partei mit den schönsten Plakaten macht, wird sich für die Forderungen und Ziele der Parteien interessieren. Die Programme der 27 antretenden Parteien komplett durchzuarbeiten könnte aber relativ zeitaufwändig werden. Zum Glück gibt es im Netz ein paar Entscheidungshilfen.

Speziell für Studenten interessant: Studis Online hat alle im Bundestag vertretenen Parteien angeschrieben und sechs Fragen zur Bildungspolitik gestellt. Darin geht es u.a. um die Studienfinanzierung (Bafög & Co), Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen. Bis auf CDU und CSU haben bereits alle Parteien geantwortet:

Natürlich sind die Antworten wie immer mit Vorsicht zu genießen, das tatsächliche Verhalten der Parteien sieht oft leider anders aus als die Wahlversprechungen – man denke da z.B. Unterstützung der Studiengebühren durch die Hamburger Grünen. Und von Phrasen á la „Studiengebühren sozial ausgestalten“ kann sich bekanntlich niemand etwas kaufen.

Mehr Politikfelder und zur Wahl stehende Parteien deckt der Wahl-O-Mat ab. Nachdem man einige Fragen zu relevanten politischen Themen abgegeben hat zeigt der Wahl-O-Mat die Partei an, die am ehesten den eigenen Einstellungen entspricht. Leider lassen sich die eigenen Ansichten nur mit 8 von 24 Parteien auf einmal abgleichen.

Um das Internet dreht sich das Spezial von Golem.de zur Bundestagswahl. Golem hat dazu die Programme der Parteien auf IT-Themen abgeklopft.

Vortrag & Diskussion

21.04.09

Keine Ahnung, ob es an dem herannahenden 1. Mai liegt, aber politische Vorträge und Diskussionsveranstaltungen sind z.Z. anscheinend ziemlich angesagt. Hier ein paar Termine in nächster Zeit:

  • Dienstag, 21.04.09

Neonazis in Nadelstreifen
Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft

Buchvorstellung und Diskussion
mit der Journalistin Andrea Röpke

19.30 Uhr in der „Grünen Scheune“ – Gemeindehaus St. Michael in Fürth, Pfarrhof 7

  • Mittwoch, 22.04.09

Homophober Moslem, toleranter Westen?

Vortrag und Diskussion mit Georg Klauda
20.00 Uhr, DESI, Brückenstr. 23

mehr Infos

  • Mittwoch, 29.04.09

Rechtsextremistisch orientierte junge Frauen – biografische, familiengeschichtliche und soziale Dimensionen

Dr. Michaela Köttig
Universität Göttingen

19:30 Uhr, Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg, Bahnhofstr. 87, Hörsaal L 001, Erdgeschoss

  • Mittwoch, 29.04.09

Krise. Kämpfe. Kommunismus.

Diskussionsveranstaltung mit Christian Frings.

20:00 Uhr, Metroproletan Archiv&Bibliothek, Eberhardshofstraße 11 Hinterhaus

mehr Infos

Tanzverbot again

10.04.09

Die bayerische FDP macht z.Z. zum ersten Mal seit Regierungseintritt mit einem sinnvollen Vorschlag auf sich aufmerksam: das an die Taliban erinnernde Tanz- und Musik-Verbot, mit dem die bayerische Staatsregierung acht christliche Feiertage und den „Volkstrauertag“ belegt hat, soll nach den Vorstellungen der Wirtschaftsliberalen auf den Prüfstand. Natürlich ruft das die üblichen religiösen Fundamentalisten auf den Plan, die die Trennung von Kirche und Staat unter keinen Umständen zulassen wollen. Dabei ist der FDP-Vorschlag sogar noch extrem harmlos: In den Nächten auf „stille Feiertage“ sollen Diskos & Kneipen nicht mehr um Mitternacht gezwungen werden die Musik abzustellen und die Tanzflächen zu räumen. Tagsüber würde an den Feiertagen weiter die Religionspolizei über das Spassverbot wachen. Doch selbst dieses minimale Zugeständnis an die Moderne geht der CSU anscheinend noch zu weit. So wird wohl erst einmal alles beim alten bleiben.

Mehr Polemik zum bayerischen Tanzverbot:

Religiöses Tanzverbot im Jahr 2008

Halloween – Tanzverbot soll durchgesetzt werden

Mehr zur Einheit von Staat & Kirche:

Konkordatslehrstühle

Konkordatslehrstühle

27.03.09

crossMan könnte sie für ein Relikt aus dem Mittelalter halten – tatsächlich sind sie aber erst ca. 80 Jahre alt – die bayerischen Konkordatslehrstühle. Dabei handelt es sich um Lehrstühle an staatlichen Hochschulen, die nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Bischof vergeben werden können. Es geht hier nicht um Theologie, betroffen sind Pädagogik, Soziologie, Politik und Philosophie. Über 21 solcher Konkordatslehrstühle wacht die katholische Kirche in Bayern im Moment, jeweils drei in Augsburg, Bamberg, München, Passau, Regensburg, Würzburg und an der Universität Erlangen-Nürnberg. Professoren ohne katholisch-konservativen Background haben bei Bewerbungen keine Chance, so bleibt ein gewisser klerikaler Einfluss auf die Hochschulen in Bayern gesichert. Selbstverständlich stehen dem Grundgesetz, Diskriminierungsverbot und gesunder Menschenverstand entgegen, bisher hatten Klagen in Bayern jedoch keinen Erfolg. Im Moment klagen sieben Professoren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die Einstellungspraxis – sie sehen sich diskriminiert, weil sie wegen fehlendem „katholischen Standpunkt“ als Bewerber nicht in Frage kommen.

Relevant sind hierbei folgende Grundgesetzpassagen:

Artikel 3 GG:
(3) Niemand darf wegen […] seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. […]

Artikel 5 GG:
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. […]

Artikel 33 GG:
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

Hinzu kommt noch das bayerische Recht:

Artikel 107 Absatz 4 Bayerische Verfassung:
Die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist von dem religiösen Bekenntnis unabhängig.

Trotz dieser Rechtslage ist der Ausgang des Verfahrens keineswegs klar – wir sind hier schließlich in Bayern…

Quellen:

NZ: Streit um Konkordatslehrstühle geht weiter

Die Laizisten – Konkordatslehrstühle

Urheberrecht bizarr II – Uni Würzburg wird verklagt

03.03.09

BücherWer kennt das nicht: man benötigt für ein Seminar ein Fachbuch, und die Bibliothek hat es entweder gar nicht, oder alle Exemplare sind verliehen. Die Uni Würzburg hat nun einen innovativen Versuch unternommen, um ihren Studenten einfacher, schneller und komfortabler mit der notwendigen Fachliteratur zu versorgen. Die 500 am meisten ausgeliehenen Bücher wurden kurzerhand eingescannt und an Bibliotheksterminals zur Verfügung gestellt. So weit, so gut. Doch die Kundenfreundlichkeit der Uni könnte ein teures Nachspiel haben. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels arbeitet zur Zeit an einer Musterklage gegen die Uni Würzburg. Ins Feld geführt wird wieder einmal der Innovations-Killer Nr. 1, das sogenannte „Urheberrecht“. Dank der letzten Verschärfungen der Bundesregierung ist der Spielraum von Bildungseinrichtungen bei der Wissensvermittlung stark eingeschränkt worden. Selbst Auszüge aus Fachtexten als kopierte Blätter an Studierende zu verteilen soll nun nicht mehr gestattet sein. Im Prinzip gilt das Gleiche auch für Texte in Hochschul-Intranets. Die Hochschulen sollen anscheinend nicht nur beim Kauf der Bücher zahlen, sondern auch für Kopien und die elektronische Abrufbarkeit. Bücher im Besitz der Hochschulen würden dann nicht nur einmalig Anschafungskosten verursachen, sondern dauerhaft den Haushalt belasten. Der Börsenverein geht noch weiter und ist der Meinung, dass nur Bücher eingescannt werden dürfen, die bereits elektronisch veröffentlicht wurden.

Natürlich ist es mehr als skandalös, dass im Namen der Gewinninteressen von Unternehmen Wissensvermittlung erschwert werden soll. Die gesetzliche Regelungen geben den Gewinnen der Rechteverwerter jedoch klaren Vorrang vor dem Allgemeinwohl. Deshalb stehen die Chancen für die Klage nicht schlecht. Man kann nur auf entsprechend schlechte Presse für die Kläger hoffen.

Quellen:

Golem.de

Gulli.com

Bayern wieder mal vorn dabei

28.11.08

„Bewegung in der Mitte – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008“ ist der Titel einer aktuellen Studie zu Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und faschistischen Tendenzen in Deutschland. Wie bereits bei vorherigen Untersuchungen kommt die Studie zum Ergebnis, dass solche menschenfeindlichen Einstellungen keineswegs auf ein kleines Häuflein offener Nazis und NPD-Sympathisanten begrenzt ist. Natürlich haben solche Befragungen immer mit dem Problem zu kämpfen, dass die wenigsten Menschen bereit sind, sich vor Fremden zu sozial unerwünschten Einstellungen wie der Forderung nach einer faschistischen Diktatur offen zu bekennen. Um so erschreckender sind die Ergebnisse der Studie. Fast ein Drittel der Deutschen empfindet die BRD nach eigener Aussage als „gefährlich überfremdet“ (46% in Ostdeutschland). Über 20% bekennen sich zu dem Satz „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“, und immerhin noch 13% stimmen zu, dass wir wieder einen Führer brauchen, „der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“. Wie viele kommen denn da noch dazu, die sich das vor Fremden bisher nur unter vorgehaltener Hand sagen trauen?

Eigentlich positiv stimmen sollte der Befund, dass das Bekenntnis zu Ausländerhass und Führerkult in den letzten Jahren leicht abgenommen hat. Wenn man sich die aktuellen Zahlen betrachtet, besteht allerdings immer noch eher Grund zur Panik. Millionen Deutsche, darunter fast die Hälfte aller Ostdeutschen, ist voller Hass gegen Ausländer, ein Viertel der Westdeutschen und ein Drittel im Osten befürwortet eine „rechtsautoritäre Diktatur“.

Bei der Frage, ob die Deutschen anderen Völker von Natur aus überlegen sind, liegen Ost und West gleichauf, antisemitische Äußerungen sind im Westen beliebter. Die Studie geht auch auf Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern ein. Im Westen liegt hier Bayern in Punkto rechtsextremer Gesinnung weit vorn, und hängt sogar manche ostdeutschen Bundesländer ab. An die Überlegenheit der Deutschen glauben über 30% der Bürger im Freistaat, damit ist Bayern bundesweite Spitze. Ebenso ist der Antisemitismus in Bayern am stärksten ausgeprägt. In Sachen Ausländerhass wird ganz knapp der zweite Platz belegt, Sachsen-Anhalt liegt hier mit 0,1% über dem bayerischen Wert. 39,1% der Bayern können als Ausländerfeinde klassifiziert werden.

Wie auch der Tagesspiegel kommentiert, führt der Begriff „Rechtsextremismus“ also offensichtlich in die Irre. Es handelt sich bei rassistischen und faschistischen Ideologiefragmenten nicht um den „Extremismus“ einer kleinen Minderheit am Rand, sondern um die Überzeugungen eines Großteils der deutschen Bevölkerung. Mit der üblichen Anti-Extremismus-Rethorik der Parteien, die vorgeben eine tatsächlich nicht vorhandenen „demokratische Mitte“ zu vertreten, ist dem Problem selbstverständlich nicht beizukommen.

Telepolis: Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus: Bayern liegt an der Spitze

Studie: Bewegung in der Mitte – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008

Schulstreik bundesweit!

12.11.08

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Beim bundesweiten Schulstreik gegen die Bildungsmisere und für gleiche Bildungschancen für alle beteiligten sich heute Zehntausende von Schülern im ganzen Bundesgebiet. In Berlin waren 10.000 Schüler auf der Straße, in Hamburg geht man von 6000 – 8000 aus. In Lüneburg demonstrierten 5000, in Frankfurt 3000 und in München 2000. Deutschlandweit protestierten nach Schätzungen der Veranstalter über 100.000 Schüler.

Auch in Nürnberg fand eine Demo statt, an der laut NZ 3000 Schüler teilnahmen. Gefordert wurde u.a. „Bildung für alle“ und die Abschaffung von G8 und Studiengebühren. Vertreten waren so ziemlich alle Altersklassen von 8 bis 18. Studenten glänzten dagegen – bis auf eine Handvoll Ausnahmen – mit Abwesenheit. Die Demo zog lautstark durch die Innenstadt, vorbei am Rathaus, am Rathenauplatz und Wöhrder Wiese entlang bis zu Bahnhof und von dort zum Kornmarkt, wo die Abschlusskundgebung statt fand.

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Erste Berichte:

SchülerInnen rocken Frankfurt

Lüneburg: Für ein lebenswerteres Bildungswesen

Schulstreik in München und anderswo

Berlin: 10.000 bei Bildungsstreik / Humbold-Uni gestürmt

NZ: Schüler demonstrieren gegen das Bildungssystem

Über 2000 auf Schulstreik in Lübeck

Hannover – Polizei prügelt SchülerInnen weg

Tagesschau: Bundesweit demonstrieren Schüler für eine bessere Bildungspolitik (Video)

Berichte vom Aktionstag gegen Kommerzialisierung der Bildung

09.11.08

Am 5. November fand der Internationale Aktionstag gegen die Kommerzialisierung von Bildung statt. Studenten und Schüler in mehreren Ländern beteiligten sich mit Protesten, u.a. auch in Deutschland. Demonstriert wurde in Mannheim, Düsseldorf und Heidelberg; Aktionen gab es z.B. in Frankfurt und Hamburg.

Italien: Bildungskürzungen an Hochschulen nach Protesten verschoben

06.11.08

Berlusconis Kürzungspläne für den Bildungsbereich haben Millionen Italiener aufgebracht. Über 100.000 Stellen sollen gestrichen werden, nur jede 5. Stelle von in Rente gehenden Dozenten wiederbesetzt werden. Insgesamt 9 Milliarden Euro möchte Berlusconi einsparen, außerdem sollen die Hochschulen in private Stiftungen verwandelt werden. Mit diesem Paket brachte der italienische Rechtspopulist nicht nur Schüler und Studenten gegen sich auf, auch Lehrer und Professoren aus alle politischen Lagern verurteilten die Pläne. Ander als in Deutschland läßt man sich in Italien aber nicht einfach alles gefallen – Massendemonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmern waren die Folge, unzählige Schulen und Universitäten wurden besetzt. Nach einem Generalstreik letzte Woche blieben 90% der Schulen in Italien geschlossen. Berlusconi versuchte zunächst, die Protestbewegung einzuschüchtern, und drohte mit dem Einsatz der Polizei gegen Schüler und Studenten. „Zur Verbesserung der Sicherheitslage“ wurden 3000 Soldaten in die Innenstädte abkommandiert. Am 29.10 eskalierte die Lage in Turin, als Neonazis einen Demozug angriffen. Doch die Protestbewegung liess sich nicht einschüchtern und kann nun einen ersten Erfolg verzeichnen. Berlusconi sah sich genötigt, zumindest die Kürzungspläne für die Hochschulen erst einmal zu verschieben. Die Streichungen bei den Schulen will er jedoch sofort durchziehen. Die Proteste werden also weiter gehen.

Tagesanzeiger: Berlusconi lässt sich ein wenig belehren

Italien: Bildungsproteste von Faschisten angegriffen

30.10.08

Gestern griffen in Turin neofaschistische Jugendorganisationen die Bildungsproteste an. Die Faschisten waren teilweise mit Helmen ausgerüstet und attackierten die Schüler und Studenten mit Flaschen, Steinen und grün-weiss-roten Knüppeln. Die Aktivitäten neofaschistischer Gruppen haben in ganz Italien in den letzten Monaten rasant zugenommen, besonders schlimm ist die Lage in Rom, das seit April von den Faschisten regiert wird. Ausländer, Muslime und insbesondere Sinti und Roma werden auf offener Strasse terrorisiert, Übergriffe auf Andersdenkende sind an der Tagesordnung. Die italienische Polizei scheint die rechten Gewalttaten bisher zu ignorieren, Berlusconi & Co nutzen die rassistische Welle, um gegen Minderheiten und Oppositionelle zu hetzen. Es könnte sich eine ähnliche Situation anbahnen wie in Deutschland anfang der 90er, als täglich Flüchtlingsunterkünfte brannten, vor den Augen von Bürgern und Polizei Pogrome veranstaltet wurden und Politik & Medien durch rassistische Hetze ständig Öl ins Feuer gossen. Auf das Konto der italienischen Faschisten gehen dieses Jahr schon mehrere Morde, die Zahl der Übergriffe steigt rasant. Alleanza Nazionale, Lega Nord und Berlusconis rechtspopulistische Forza Italia sind populärer denn je, die Opposition schafft es bisher nicht, ihre beeindruckenden Massendemonstrationen für einen politischen Gesinnungswandel der Mehrheit nutzen zu können. In Deutschland wird der italienische Rechtsruck bisher größtenteils ignoriert.

Indymedia: Neofaschisten greifen italienische Studentenproteste an

Vorwärts: Faschismus in Italien kein Tabu mehr

Hannoversche Allgemeine: Rom – Hunderttausende demonstrieren gegen Berlusconi

Massenproteste gegen Bildungskürzungen in Italien

24.10.08

Premier Berlusconi plant Kürzungen im Bildungsbereich in Höhe von 8 Milliarden Euro pro Jahr. Finanziert werden soll das ganze u.a. durch die Streichung von 87 000 Lehrerstellen und 44 500 Jobs in der Verwaltung, Schliessung von Schulen und Einstellungsstopps an den Hochschulen. Für 10 auscheidende Dozenten sollen nur 2 neue verpflichtet werden dürfen. Kritiker werfen Berlusconi vor, mit seinem Vorhaben den öffentliche Bildungssektor zu Gunsten privater Einrichtungen ausbluten lassen zu wollen. Die Kürzungspläne rufen z.Z. Massenproteste von Studenten, Schülern und Gewerkschaften hervor. Hundertausende demonstrierten bereits in ganz Italien gegen die „Reform“. In mehreren Städten wurden Universitätsdirektorate, Aulen und Hochschulinstitute besetzt. Berlusconi drohte mit Polizeieinsätzen an den Hochschulen, in Mailand wurden diese Woche bereits demonstrierende Schüler und Studenten verprügelt. Zur „Verbesserung der Sicherheitslage“ werden inzwischen 3000 Soldaten eingesetzt, das Kontingent soll bald verdoppelt werden. Doch die Protestierer lassen sich bisher nicht einschüchtern. Rückhalt gibt es auch von Seiten der Hochschulleitungen, selbst konservate Rektoren wollen die „Reform“ nicht einfach hinnehmen. Mehrere Hochschulen haben erklärt, gewaltsame polizeiliche Übergriffe auf ihre Studenten nicht dulden zu wollen. Die Opposition forderte ebenfalls auf, Gewalt gegen die Studenten zu unterlassen. Für kommenden Samstag plant die oppositionelle Demokratische Partei einen Großdemonstration gegen die Regierung, für den 30.10 ist ein Generalstreik der Gewerkschaften angekündigt.

Siehe auch: junge Welt, Südeutsche Zeitung

Finanzkrise erreicht Studenten

14.10.08

Wie der Spiegel berichtet, hebt die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau die Zinsen für die Studienkredite auf 7% an. Der Zinssatz ist variabel und kann noch auf bis zu 9,2% erhöht werden. Als die KfW mit den Studienkrediten startete waren noch 5,2% aktuell.

Die Zinserhöhung ist nicht nur eine allgemeine Reaktion auf die weltweite Finanzkrise, sondern wohl vor allem auf die skandalösen Geldvernichtungsaktionen der KfW zurückzuführen. So hatte die Staats-Bank der bereits bankrotten US-Investmentbank Lehman-Brothers mitte September 350 Millionen Euro überwiesen. Die Summe ist unwiederbringlich verloren, jetzt wird anscheinend versucht das Geld bei verschuldeten Hausbesitzern und Studenten einzutreiben.

Natürlich ist die KfW-Zinserhöhung nur ein Bruchteil dessen, was auf Studenten und ihre Familien in den nächsten Jahren an zukommt. Das 500 Millliarden Euro Geschenk der Bundesregierung an klamme Spekulanten muss schließlich refinanziert werden. Und dazu zieht man in Deutschland traditionell ausschließlich die Armen heran. Die (von Bildungsmisnisterin Schavan schon vor langem geforderte) Abschaffung des BAföG wird sicher bald wieder diskutiert werden.

Mehr bei Telepolis: Studieren wird noch teurer

Update: Dank des Medienrummels sah sich Bildungsministerin Schavan gezwungen zu Handeln und hat die KfW zurückgepfiffen. Neuer Zinssatz ist jetzt erstmal 6,5%

Update: Auch die Staatsanwaltschaft hat inzwischen reagiert: Am 22.10.08 wurden die Geschäftsräume der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt am Main im Rahmen einer Razzia des Bundeskriminalamts durchsucht. Wegen des Verdachts der Untreue wird gegen KfW-Chef Ulrich Schröder und weitere Vorstände ermittelt.

Wahlergebnisse in Nürnberg

29.09.08

Bayernweit mußte die CSU enorme Verluste einstecken und verlor über 17%. Damit ist die CSU seit nunmehr fast 50 Jahren zum ersten mal nicht mehr in der Lage, Bayern allein zu regieren. Das selbstgesteckte Wahlziel „50%+x“ wurde von Beckstein&Co damit verfehlt. Mit den Freien Wählern ist ein neuer Akteur im bayerischen Landtag vertreten, die FDP schaffte nach 14 Jahren Abstinenz ebenfalls den Sprung ins Parlament. Die Linke scheiterte mit 4,3% an der 5%-Hürde, erreichte aber im konservativsten Bundesland damit einen Achtungserfolg.

In der Presse wird der massive Verlust der CSU zum Paradigmenwechsel erklärt: Bayern sei ab gestern auch ein „normales“ Bundesland, in dem Wahlen auch ab und zu Einfluss auf die Regierungsbildung haben. Die CSU hat auf jeden Fall den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren – und ihren Alleinvertretungsanspruch für Bayern. In nächster Zeit wird sich erstmal nicht viel ändern, die FDP hat der CSU schon ihre Unterstützung angeboten. In Sachen Bildung sind also die nächsten vier Jahre von Regierungsseite kaum positive Impulse zu erwarten. Andererseits läßt sich ab jetzt leichter Druck auf die CSU ausüben – schleißlich kann die nicht mehr erwarten, dass die Bayern ihr nachlaufen, egal was sie fabriziert. Und in fünf Jahren bestehen realistische Chancen, den schwarzen Spuk endlich zu beenden.

Hier die Wahlergebnisse der Landtagswahl 08 für die Stadt Nürnberg:

CSU SPD Grüne Linke FDP Freie Wähler
41,0% 26,8% 9,7% 6,8% 6,0% 5,3%
(-11,1) (-2,5) (-0,2) (+6,8) (+3,4) (+3,5)

Österreich: Studiengebühren abgeschafft

25.09.08

Studenten in unserem Nachbarland Österreich atmen auf: seit gestern sind die vor acht jahren eingeführten Studiengebühren Geschichte. In Zukunft bleibt die Regelstudienzeit plus ein paar Zusatzsemester gebührenfrei. Wer nachweisen kann, dass sich das Studium aufgrund von Erwerbsarbeit verzögert hat, erhält noch länger Gebührenfreiheit. Die Regelungen gelten auch für alle EU-Ausländer – also ein Grund mehr zum Jubeln auch in Deutschland! Nebenher wurden auch gleich noch die Zugangsbeschränkungen (NC) für einige Fächer aufgehoben und mehr Studienplätze angekündigt. Damit Österreich einen ersten Schritt unternommen, um die von neoliberalen Ideologen gepriesene Zweiklassen-Bildung auf den Schutthaufen der Geschichte zu werfen. Die Gesetzesänderung ist übrigens Teil eines Paketes, um der wegbrechenden Binnenkonjunktur in Zeiten der aufziehenden Weltwirtschaftskrise entgegen zu wirken. Statt wie der große Bruder Deutschland die Krise zu nutzen, um bei den Armen zu sparen und die Reichen mit Geschenken zu überhäufen, geht man in Österreich zumindest teilweise den entgegengesetzen Weg. Sehr sympathisch!

Quelle

Bayerische Parteien zur Hochschulpolitik

12.09.08

Philipp Schrögel, Sprecherrat an der Uni Erlangen und Sekretär der Landesastenkonferenz, liefert anlässlich der Landtagswahlen in Bayern auf Studis Online eine Zusammenfassung der Positionen der größten Parteien zu Hochschule&Co.

Studenten zur Landtagswahl

29.08.08

Am 28. September 2008 finden in Bayern Landtagswahlen statt. Aus studentischer Sicht sind die Wahlen nicht ohne Brisanz, denn zum ersten Mal seit Jahren könnte die absolute Merhehit der CSU fallen. Damit würde sich eine Chance zur Wiederabschaffung der Studiengebühren eröffen.  SPD, Grüne und  die Linke möchten die Campusmaut abschaffen, CSU und FDP wollen daran festhalten. Die Nürnberger Nachrichten nahmen die anstehende Landtagswahl zum Anlass, eine Diskussionsrunde mit Studierenden der Uni Erlangen,  Ludwig Spaenle (CSU) und Wolfgang Vogel (SPD) aus dem Hochschul-Ausschuss des Bayerischen Landtags zu organisieren.

Die zentralen Forderungen der Studierenden im Gespräch sind hier nachzulesen.

Reader und Skripte für Studenten verboten?

08.07.08

„Urheberrecht“ bizarr: Schon seit Jahren kämpfen einige Konzerne als selbsternannten „Besitzer“ von geistigem „Eigentum“ an zahlreichen Fronten gegen den gesellschaftlichen Fortschritt. Wer schon mal ein Lied heruntergeladen, einen Film im Netz gesehen, eine CD oder DVD für Freunde kopiert oder ein Bild aus dem Internet auf seinem Rechner gespeichert hat, gehört zu ihren Feinden und sollte nach Meinung der Content-Industrie erbittert verfolgt und weggesperrt werden. Betreiber von Internet-Radios, Journalisten, die es wagen, kritisch über schlechte Produkte zu berichten oder Webseitenbetreiber, die schlicht auf andere Seiten verlinken, werden ebenso ins Fadenkreuz genommen. Die Liste derer, die ins Visier der Konzerne geraten, wächst mit jedem Tag.

Der neueste – und keineswegs schlimmste – Streich der Urheberrechtsverwerter trifft die Hochschulen. War es bisher häufig Praxis, dass Professoren ihren Studis ein Vorlesungsskript oder einen Reader mit Ausschnitten aus diversen Büchern und Zeitschriften als Lernmaterial zur Verfügung stellen, soll dies jetzt unterbunden werden. Das bayerische Wissenschaftsministerium hat nun die Hochschulen im Freistaat auf das Verbot solcher kopierter Lernhilfen dank verschärfter Urheberrechtsgesetze aufmerksam gemacht und die Durchsetzung des Verbots angemahnt. In Zukunft sollen sich die Studis eben interessante Stellen selbst aus den Originalwerken zusammensuchen und herausschreiben. Dass die teilweise nicht in genügender Zahl, teilweise überhaupt nicht in den Hochschulbibliotheken vorhanden sind, macht das ganze noch lustiger. Vielleicht wird aber bald eh jede Form von Zitat kostenpflichtig. Dann kann man die Hochschulen endlich ganz zu machen, weil der gesammelte Wissen der Menschheit nicht mehr genutzt werden kann.

Quelle: NZ 1 + 2