Studis Online hat in Kooperation mit dem BdWi ein paar ältere Texte online gestellt, die Hintergünde und Analysen zu den im Moment von Studierenden angeprangerten Mißständen liefern. Der Bildungsstreik 2009 ist bisher im Gegensatz zu früheren studentischen Protesten eher aktionsorientiert, aktuelle Texte die über reine Forderungen oder Aktionsberichte hinausgehen, sind schwer zu finden. Deshalb gibts hier jetzt mal eine thematisch sortierte Liste mit Texten, die Hintergund-Infos bieten. Teilweise sind auch ältere dabei, die ihre Aktualität noch nicht eingebüßt haben. Vorschläge für weitere Links sind hocherwünscht!
Letzten Mittwoch ließ der Präsident der Frankfurter Goethe-Universität Studierende und Dozentinnen, die in Räumlichkeiten des I.G.-Farben-Campus ein alternatives Semeniar abhielten von der Polizei entfernen. Genaueres und eine Einschätzung des Ganzen gibt es in einem lesenswerten Text von Emanuel Kapfinger & Thomas Sablowski:
Die Leitung der Universität machte es Studierenden durch den Einsatz von Gewalt unmöglich, einem Vortrag zuzuhören, zu diskutieren und sich zu bilden – und zwar in ihrer eigenen Universität, in Räumlichkeiten, die die ganze Woche über von der Commerzbank genutzt worden wären bzw. eben von der vorgegebenen Lehre besetzt waren. Diese Form von Lehre kann von Studierenden mit regulären Mitteln nicht beeinflusst werden und muss von ihnen hingenommen werden; gegen sie richtet sich gerade ihr Protest. Das Argument vieler Studierender gegen den Streik vom letzten Semester kann jetzt umgedreht werden: Es hieß immer, der Streik würde Bildung verhindern. Die Antwort der Streikenden darauf war: Es wird die Bildung verhindert, die fremdbestimmt ist und abgeschafft werden soll. Jetzt hat der Präsident höchstpersönlich eine selbstbestimmte Form der Bildung verhindert.
Nach Angaben der Streikendenkam es im Verlauf der Räumung auf dem Campus zur Gewaltanwendung gegen Studierende, fünf Personen mussten stationär behandelt werden. In einem Video informieren Betroffene über den Ablauf des Geschehens:
Als Rechtfertigung für die gewaltsame Räumung wurde von der Hochschulleitung „Hausfriedensbruch“ genannt. Prof. Dr. Stefan Gandler (University of California), ehemaliger Student, Asta-Vorsitzender und Lehrender der Goethe-Universität, macht in einem offenen Brief an den Frankfurter Uni-Präsidenten auf die Absurdität dieses Vorwurfs aufmerksam:
Auch erschreckt Ihre von der Presse wiedergegebene Wortwahl vom “Hausfriedensbruch” bezüglich der studentischen Subjekte, womit diese als der Universität äußerliche “Fremde” definiert werden, denn nur solchen kann dieses Delikt vorgeworfen werden. Die Wortwahl ist nicht nur juristisch unbedarft, sondern drückt ganz offen eine geringschätzende Haltung gegenüber allen Studierenden der Universität aus, die einem Universitätspräsidenten schlicht nicht zusteht.
Studenten werden, weil sie einen Vortrag eines Dozenten an ihrer eigenen Hochschule besucht haben, wegen Hausfriedensbruchs angezeigt und gewaltsam entfernt. Das soll eindeutig klarstellen, wem die Uni gehört und für wen sie gedacht ist. Mit den neuen Strukturen ist das ein autoritär regierender Präsident, gewählt von und für die die regionalen Unternehmen. Hochschulen sind nach dem aktuell dominierenden neoliberalen Dogma auch keine Orte, an denen Studenten lernen und sich bilden, sondern gewinnorientierte Unternehmen. Aufgabe des Präsidenten ist es, die Einnahmen zu maximieren. Wichtigste Möglichkeiten sind dabei Auftragsforschung für die Wirtschaft, Vermietung von Räumen, Technik und Personal sowie das Bereitstellen von Werbefläche. Auch mit Studiengebühren lässt sich Geld einnehmen, nach der Zahlung sind Studenten aber nur noch Störfaktor. Vorlesungen halten Professoren davon ab, lukrativer Auftragsforschung nachzugehen und nehmen Räume in Beschlag, die man ansonsten vermieten könnte. Wenn Studenten dann sogar noch soweit gehen und den Marktwert der Hochschule durch Demonstrationen, Besetzungen und Forderungen nach Demokratie in Gefahr bringen, reißt den Hochschulleitungen natürlich schnell der Geduldsfaden. Und dann kommt es eben zu dem absurden Szenario, dass Studenten aus ihrer eigenen Hochschule vertrieben, Vorlesungen verhindert und Lehrende und Lernende vom Campus gejagt werden – und das mit der Begründung, dass wieder „Normalität“ einkehren soll.
Der Polizeieinsatz war übrigens mit der Räumung nicht beendet, auch in den Tagen danach patroulierte die Polizei am Campus, laut Protestierenden wurden ganze Fachbereiche gesperrt. Am Tag nach der Räumung wurde wieder demonstriert, und die Rücknahme der Anzeigen sowie Rücktritt des Präsidenten gefordert. Die Hochschule bot dabei ein beängstigendes Bild:
Als die Studierenden am I.G.-Farben-Campus vorbeizogen, sahen sie sich einer Uni gegenüber, die einer Kaserne glich und von der Polizei vor ihren eigenen Studierenden verteidigt werden musste.
Am Montag fand im besetzten Audimax der Ohm-Hochschule eine Podiumsdiskussion mit der Hochschulleitung, den Dekanen von BWL und Soziale Arbeit, Studenten und einem Schüler-Verteter statt. Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann sich die gesamte zweistündige Diskussion als Video hier herunterladen. Von Radio Z gibt es auch eine kurze Zusammenfassung als Audio:
Sebastian Urchs von der Studierendenvertretung der LMU München erklärt auf Radio Lora, woher die Forderung nach mehr Demokratie an den Hochschulen kommt:
Bereits gestern haben Schüler der Albert-Einstein-Oberschule Berlin ihre Aula besetzt. Heute kam es dann zu einer weiteren Besetzung in der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf. Vielleicht rücken damit endlich auch die Schüler in den Blickpunkt der medialen Berichterstattung. Bei den Demos gestern war in der Presse teilweise nur von Studenten, die gegen Bachelor/Master demonstrieren, die Rede. Mal abgesehen davon, dass auch die Forderungen der Studenten viel mehr umfassen als nur die Kritik an den gestuften Studiengängen – die Mehrheit der Protestierenden waren zumindest bei den letzten Aktionstagen Schüler. Der Bildungsstreik heißt auch erst seit 2009 so, hervorgegangen ist er aus der Schulstreikbewegung der letzten Jahre. Um auch Studenten zum mitmachen zu bewegen, wurde der Schulstreik dieses Jahr zum Bildungsstreik umbenannt. Erfolg hatte das zunächst kaum, auf den Demos am 17.06.09 konnte man Studenten mit der Lupe suchen. Statt dessen gingen in allen größeren Städten tausende Schüler auf die Straße. Bemerkenswert ist das u.a., weil Schüler im Gegensatz zu Studenten mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben, wenn sie ihre Schule boykottieren. Es drohen Disziplinarmaßnahmen und Ärger mit Lehrern und Eltern. Während sich in der Anonymität der Hochschulen leicht mal eben Protestaktionen durchführen lassen, sind in Schulklassen die „Rädelsführer“ und „Revoluzzer“ schnell identifiziert. Man muss den Schülern also ihr Engagement besonders hoch anrechnen. Die Organisation des bundesweiten Streiks stemmten sie zunächst auch weitgehend alleine, von Seiten der Studenten gab es kaum Interesse. Mit der aus Österreich herrüber geschwappten Besetzungswelle an Hochschulen hat sich das geändert, der Bildungsstreik gilt plötzlich als Studentenstreik. Diese Verzerrung durch die Medien sollten die protestierenden Studenten auf keinen Fall mit machen, statt dessen muss auch auf die Beteiligung und Forderungen der Schüler hingewiesen werden. Ein zentrales Thema dabei ist der Kampf gegen soziale Selektion in der Bildung. Gefordert wird eine gemeinsame Schule für alle und die grundsätzliche Kostenfreiheit der Bildung. Kritisiert wird die steigende Arbeitsbelastung durch die Schulzeitverkürzung und der Einfluss von Unternehmen auf die Schulen. Demokratisierung und Mitbestimmung in den Schulen steht ebenso auf dem Programm wie die Verbesserung des Unterichts durch mehr Lehrer und kleinere Klassen. Eingebettet ist das teilweise in eine grundsätzliche Kritik an einem Schulsystem, das nur die wirtschaftliche Verwertbarkeit seiner Insassen als Humankapital im Sinn hat. Die Themen sind also denen der Studenten sehr ähnlich, die soziale Selektion trifft die Schüler allerdings um einiges härter, als die bereits als Gewinner daraus hervorgegangenen Studenten. Die aktuelle Fokussierung der Medien auf die Besetzungen in Hochschulen darf also auf keinen Fall dazu führen, dass innerhalb der Bewegung die Interessen der Schüler weniger Gewicht bekommen.
Auch in Erlangen ist das Audimax (Bismarckstr. 1) unter studentischer Kontrolle. Aktuelle News von dort findet man auf faubrennt.u-sys.org und fau_brennt (Twitter).
Auf der Bildungsstreik-Demo in Nürnberg waren laut Polizei 3500 – 4000 Schüler und Studenten. Bilder und ein Video von der Demo gibt es bei der NN.
Nochmal zur Erinnerung: Morgen beginnt der bundesweite Bildungsstreik mit Demos in allen größeren Städten.
In Nürnberg beginnt die Demo um 11:30 vor der Lorenzkirche. Die Erlanger müssen früher aufstehen, da startet die Demo schon um 9:30 am Hugenottenplatz. Danach gehts gemeinsam per Zug nach Nürnberg. In Bamberg trifft man sich um 9:15 am Bahnhof, um von da aus nach Nürnberg zur Demo zu fahren.
An der OHM-Hochschule findet vor der Demo eine Vollversammlung statt. Beginn ist um 9:45 im Audimax in der Bahnhofstraße 87.
Während viele der Hörsaal-Besetzungen in Deutschland weiter laufen(insgesamt waren es schon über 30 Hochschulen), kam es in einigen Städten zu ebenso absurden wie erschreckenden Szenen: Polizeieinheiten haben in mehreren Unis tatsächlich Studierende aus ihrer Hochschule vertrieben. So geschehen etwa in Münster, Marburg, Darmstadt, Tübingen und Bielefeld. Damit bestätigen die verantwortlichen Unileitungen die Notwendigkeit des Protests: Hochschulen sind für diese Leute kein Ort für Studierende, letztere werden nur als überflüssiger Ballast betrachtet, den man zur Not (z.B. wenn eine kommerzielle Veranstaltung für einen besetzten Hörsaal geplant ist) mit Gewalt entfernen lässt. Wenn Forderungen nach besserer Studiensituation mit Gewaltdrohungen beantwortet werden, sagt das natürlich auch viel über die „Dialogbereitschaft“ der verantwortlichen Hochschulleitungen aus. Solche Versuche den studentischen Protest einfach zu unterdrücken sind aber zum Glück kaum erfolgversprechend. Jede Räumung wird die Beteiligten nur in der Einsicht bestärken, dass es so an den Hochschulen nicht mehr weitergehen kann, und autoritäre Strukturen durch demokratische ersetzt werden müssen. In Wien gab es heute als Reaktion auf die Räumungen eine Protestkundgebung von 150 Studierenden vor der deutschen Botschaft.
Die Besetzungswelle verbreitet sich inzwischen wie ein Lauffeuer durch das ganze Land: in mindestens zehn weiteren Hochschulen haben heute Studenten die Kontrolle über Hörsäle übernommen. Da sich die Ereignisse überschlagen, ist es schwierig den Überblick zu behalten, eventuell hat sich die Zahl schon weiter erhöht. Infos über Neubesetzungen liegen für heute aus der HU und FU Berlin, Coburg, Würzburg, LMU München, Hamburg, Hildesheim, Landau, Göttingen und Bielefeld vor. Inzwischen sind damit auch vier bayerische Hochschulen vertreten. Die Initialzündung aus Österreich hat eine Entwicklung angestoßen, wie sie in der Form in Deutschland im Moment wohl kaum jemand erwartet hätte. Studenten holen sich Teile ihrer Hochschulen zurück, um Freiräume zu schaffen, in denen sie sich selbstbestimmt über ihre Vorstellung von Bildung verständigen können. In einer Zeit, in der Hochschulen v.a. als Wirtschaftsfaktor, Unternehmens- und Werbepartner gesehen werden, ist das ein mutiger und nötiger Schritt. Der Frust ist dank Bachelor/Master-System, Verschulung, Studiengebühren und Ökonomisierung der Hochschulen groß. Die Protestwelle der letzten Tage zeigt, dass sich die Studenten nicht länger einfach ignorieren lassen. Die Forderungen von Schülern und Studenten müssen jetzt auf die politische Tagesordnung, dafür soll auch der Bildungsstreik am 17.November beitragen.
Auch in der Uni Mainz und in Essen und Duisburg wurden heute Hörsäle besetzt. Ein Video von Duisburg/Essen gibt es hier. Die Übersichtskarte zu den Besetzungen sieht langsam richtig ansehnlich aus. Offensichtlich haben auch die Studenten in Deutschland endlich die Schnauze voll und werden aktiv. Der Bildungsstreik könnte diesmal wirklich spannend werden.
Das besetzte Audimax der Uni Münster wurde heute von der Polizei geräumt, alle anderen Besetzungen der letzten Tage gehen weiter. Aktuelle News zu den Hörsälen unter studentischer Kontrole gibt es unter unsereunis.de
Der Name der Seite orientiert sich dabei am österreichischen Vorbild unsereuni.at. Ziel der Namensgebung ist es, klarzustellen für wen die Hochschulen eigentlich da sein sollten.
Seit ein paar Wochen mischen die österreichischen Studenten mit Protesten ihre Hochschulen auf, die Uni Wien ist z.B. seit dem 22.10 besetzt, alle anderen Universitäten Österreichs befinden sich inzwischen ebenfalls unter studentischer Kontrolle. Die Themen sind zum größten Teil identisch mit unseren: Bachelor und Master sollen weg, die Ökonomisierung der Bildung gestoppt, eine Wiedereinführung der Studiengebühren aufgehalten, Bildung besser finanziert und Schulen und Hochschulen demokratischer werden. Die Proteste und vor allem ihre Größe kamen für alle Beteiligten überraschend: eigentlich lief in Medien und Politik gerade eine Hetzkampagne gegen ausländische Studierende und für die Wiedereinführung der Gebühren. Die Kampagne war unter Studierenden anscheinend aber erfolglos, die Proteste richten sich ganz klar gegen Studiengebühren und nationalistische Stimmungsmache.
In den letzten Tagen gab es aus Österreich immer wieder Einladungen an die Studenten in den Nachbarländern, sich der Protestbewegung anzuschließen. Salzburg rief etwa zu internationalen Studi-Streiks, Wien zu Besetzungen „in Europa und darüber hinaus“ auf. Inzwischen scheint der Funke übergesprungen zu sein. In Potsdam und Heidelberg wurden Hörsäle besetzt, und in Münster das Audimax. Ist das der Beginn des angekündigten heissen Herbstes? Heute ist der Auftakt für die „Global Week of Action – Education is NOT for $A£€“, in Österreich findet gleichzeitig ein landesweiter Aktionstag statt. Und in Deutschland startet am 17.11. der bundesweite Bildungsstreik. Es könnte also noch einiges an studentischer Action folgen.
Am Dienstag den 17.11. geht der bundesweite Bildungsstreik in die nächste Runde. Im Juni waren bereits in über 100 Städten mehr als 270.000 Schüler und Studenten für bessere Bildung auf der Strasse. Die Veranstalter hoffen darauf, diese Zahlen noch einmal zu übertreffen. Forderungen sind u.a. ein Ende der sozialen Selektion in der Bildung, keine Ökonomisierung der Schulen und Hochschulen, Abschaffung des Bachelor/Master-Systems und jeglicher Studiengebühren, sowie Demokratisierung aller Bildungsinstitutionen. In Nürnberg startet der Bildungsstreik am 17.11. um 11:30 mit einer Demo vor der Lorenzkirche.
Bei einer Umfrage des Stern vor ein paar Wochen wusste gerade einmal die Hälfte der Deutschen, dass Ende September die Wahlen zum Bundestag abgehalten werden. Inzwischen dürfte sich diese Zahl dank Wahlplakaten in den Innenstädten nach oben verändert haben. Wer nicht „aus Tradition“ eh immer die gleiche Partei wählt, sich bei der Wahlentscheidung auf die Empfehlung der Bildzeitung verlässt oder das Kreuzchen bei der Partei mit den schönsten Plakaten macht, wird sich für die Forderungen und Ziele der Parteien interessieren. Die Programme der 27 antretenden Parteien komplett durchzuarbeiten könnte aber relativ zeitaufwändig werden. Zum Glück gibt es im Netz ein paar Entscheidungshilfen.
Speziell für Studenten interessant: Studis Online hat alle im Bundestag vertretenen Parteien angeschrieben und sechs Fragen zur Bildungspolitik gestellt. Darin geht es u.a. um die Studienfinanzierung (Bafög & Co), Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen. Bis auf CDU und CSU haben bereits alle Parteien geantwortet:
Natürlich sind die Antworten wie immer mit Vorsicht zu genießen, das tatsächliche Verhalten der Parteien sieht oft leider anders aus als die Wahlversprechungen – man denke da z.B. Unterstützung der Studiengebühren durch die Hamburger Grünen. Und von Phrasen á la „Studiengebühren sozial ausgestalten“ kann sich bekanntlich niemand etwas kaufen.
Mehr Politikfelder und zur Wahl stehende Parteien deckt der Wahl-O-Mat ab. Nachdem man einige Fragen zu relevanten politischen Themen abgegeben hat zeigt der Wahl-O-Mat die Partei an, die am ehesten den eigenen Einstellungen entspricht. Leider lassen sich die eigenen Ansichten nur mit 8 von 24 Parteien auf einmal abgleichen.
Um das Internet dreht sich das Spezial von Golem.de zur Bundestagswahl. Golem hat dazu die Programme der Parteien auf IT-Themen abgeklopft.